Online-Reputationsmanagement kann je nach Leistungsangebot Rechtsdienstleistung darstellen
Allgemein lässt sich Online-Reputations-Management (im Folgenden „ORM“) definieren als Überwachung und Beeinflussung des Rufs einer Person, einer Organisation oder eines Produkts in den digitalen Medien. Einerseits gehören dazu Maßnahmen, die den guten Ruf aufbauen oder sichern. Andererseits schließt ORM Abwehrmaßnahmen ein, die erforderlich werden, falls sich z. B. durch Negativberichte oder Negativbewertungen im Internet Reputationsverluste bzw. Reputationsschäden einstellen bzw. einstellen könnten.
Tätigkeiten von ORM-Agenturen im Bereich der „Aufbautätigkeit“ des Rufs wie z. B. Optimierung von Internetwerbung, Platzierung von Informationsbeiträgen, Pressemitteilungen, Analysen, Monitoring, Mediationsversuche, Suche nach alternativen Bewertungssystemen, Suchmaschinenwerbung, Postings, Bilder und Videos in Social Media stellen sich grundsätzlich nicht als Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 RDG dar.
Es handelt sich insofern um klassische Werbedienstleistungen. Anders verhält es sich bei den Versuchen, drohende oder bereits vorhandene Reputationsschäden zu beseitigen, vor allem bei – gerechtfertigten sowie nicht gerechtfertigten – Negativberichten unzufriedener Kunden oder Schlechtbewertungen, z. B. Rezensionen in Business-Einträgen bekannter Anbieter.
nsofern bieten auch Anwaltskanzleien ihre Dienste an. Diese prüfen Sachverhalte rechtlich, erstellen ggf. individuelle Aufforderungsschreiben an Host-Provider und/oder klagen ggf. Unterlassungs- oder Löschungsansprüche gegen Host-Provider und/oder bewertende Personen ein. Insofern liegt es auf der Hand, dass die Agenturen, die ORM anbieten, hier ggf. in ein Spannungsfeld geraten, da ihnen in der Regel die Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen fehlt.
Dieses Spannungsfeld war zuletzt Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen, die gleichartige rechtliche Ansätze aufweisen. Die von der Begründung her aussagekräftigste Entscheidung ist ein Urteil des LG Stuttgart (vom 25.03.2021, Az. 11 O 543/20). Dieses ist im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Antrag eines Rechtsanwalts, der sich in seinen Rechten verletzt sah, ergangen.
Der ORM betreibende Unternehmer hatte auf seiner Webseite – ohne explizit rechtliche Prüfungen zu bewerben – die Löschung zu Unrecht erhaltener negativer Bewertungen angeboten u. a. mit „Zahlung nur bei Erfolg Google Bewertungen löschen lassen“ sowie „Wir können Google Bewertung löschen lassen, wenn Sie der Meinung sind die Bewertung muss gelöscht werden, sind wir an Ihrer Seite und beantragen die Löschung in Ihrem Namen“. Das Gericht sah darin eine Rechtsdienstleistung (§ 2 Abs. 1 RDG), da eine rechtliche Subsumtion erforderlich sei.
Die bloße technische Hilfe (copy & paste) wollte das Gericht offenbar nicht beanstanden. Aus dem Tenor des Verfügungsbeschlusses geht als konkrete Verletzungsform hervor, dass vor allem der Einsatz eines an Google gerichteten Aufforderungsschreibens zu der Entscheidung geführt hat:
„Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung … untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Dienstleistungen anzubieten oder durchzuführen, die auf die Löschung oder Beanstandung von Google-Bewertungen gegenüber Google gerichtet sind, wenn dies durch Verschicken des folgenden Textes an Google geschieht …“
In dem im Tenor eingerückten Text trägt die Agentur (Antragsgegner) u. a. vor, aus welchen Gründen die Löschung verlangt wird. Zur Rechtsdienstleistung des Verfügungsbeklagten führte das LG Stuttgart aus:
„Damit überhaupt eine Prüfpflicht des Hostproviders ausgelöst wird, die im Ergebnis auch Voraussetzung für eine Löschung der beanstandeten Äußerung ist, muss daher im konkreten Einzelfall zunächst ermittelt werden, worin die konkrete Rechtsverletzung liegt, die Grundlage der Beanstandung ist. Es ist dabei insbesondere zu klären, ob es sich um eine (unwahre) Tatsachenbehauptung, um eine Meinungsäußerung mit (unwahrem) Tatsachenkern, um eine Meinungsäußerung handelt, der eine Tatsachengrundlage fehlt, oder etwa um Schmähkritik. Je nachdem muss die Beanstandung derart abgefasst werden, dass eine etwaige Rechtsverletzung zumindest schlüssig erscheint. Dies setzt gewisse Grundkenntnisse im Äußerungsrecht voraus, die über ein bloßes Alltagswissen hinausgehen.“
Es lässt sich der Entscheidung ableiten, dass es einen erlaubten Bereich des ORM geben muss. Die Frage ist nur, wann dieser überschritten wird. Insofern wird es auf die Umstände des Einzelfalles ankommen (konkrete Leistungsangebote der ORM-Agentur, insbesondere deren Weite oder Einschränkung, auf die tatsächliche Leistungserbringung, die ggf. von der Werbung der Agentur abweicht). Rechtsdienstleistung beginnt nach ständiger Rechtsprechung bereits mit der Werbung.