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LG Koblenz: Versteigerungsberatung als Verstoß gegen das RDG
Ein Unternehmen, das sich laut seiner Firmierung mit Wirtschafts- und Finanzdiensten befasst und über keine Zulassung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verfügt, hatte im Internet u. a. folgende Leistungen beworben: Wahrnehmung von Terminen für Erwerber in Immobilienzwangsversteigerungsverfahren, entsprechende Beratungstätigkeiten, Begleitung bei allen Abwicklungsschritten, Beratung und Vertretung von Eigentümern, denen die Zwangsversteigerung ihres Eigentums droht in Bezug auf „Immobilienrettung“ und „Zwangsversteigerung verhindern / aufheben“.

Ein Mitglied unseres Verbandes (Anwaltskanzlei) hatte nach erfolgloser Abmahnung eine einstweilige Verfügung gegen den Anbieter erwirkt (LG Koblenz, Beschluss vom 01.09.2022, Az. 4 HK O 31/22). Das Beispiel zeigt erneut, dass bei Dienstleistungen, die Bezüge zum rechtlichen Bereich aufweisen können, die Werbung sorgfältig überprüft werden sollte. Soweit eine Erlaubnis nach dem RDG nicht in Betracht kommt, darf nicht der Eindruck erweckt werden, als würde ein Unternehmer das „Komplettprogramm“ einschließlich des rechtlichen Teils bei konkreten Fällen seiner Kunden erbringen.

Die vor dem LG Koblenz konkret beanstandeten Werbeaussagen waren insofern grenzenlos, also ohne Beschränkungen formuliert, zu verstehen. Eine Rechtsdienstleistung ist nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 RechtsdienstleistungsG (RDG) „jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.“ Im vorgenannten Falle konnte sich der Wirtschafts- und Finanzdienstleister auch nicht auf eine erlaubte Nebenleistung (§ 5 RDG) berufen.

Erlaubt sind nach § 5 Abs. 1 RDG auch Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum (hier erlaubnisfreien) Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Erforderlich ist, dass die Rechtsdienstleitung zu der jeweiligen Haupttätigkeit gehört.

Soweit sich die Zulässigkeit rechtsdienstleistender Nebentätigkeiten aus der Zugehörigkeit zu einem Berufs- oder Tätigkeitsbild ergibt, braucht diese nicht notwendig gesetzlich geregelt zu sein. Es genügt, dass es sich um eine fest umrissene, typisierte berufliche Betätigung handelt, mit der nach der Verkehrsanschauung bestimmte untergeordnete Rechtsdienstleistungen verbunden sind (BT-Drs. 16/3655, S. 52). Voraussetzung ist jedoch stets, dass die im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit angebotenen Rechtsdienstleistungen sich in die eigentliche Tätigkeit einpassen und nicht isoliert als gesonderte Dienstleistung angeboten werden (BGH, Urteil vom 06.10.2011, Az. I ZR 54/10 – Kreditkontrolle).

Es ist bereits davon auszugehen, dass die grenzenlos angebotene Hilfe der „Immobilienrettung“ zur Abwehr von Immobilien-Zwangsversteigerungsverfahren und das „verhindern/aufheben“ von Versteigerungsverfahren nicht mehr zum „Berufs- oder Tätigkeitsbild“ eines Wirtschafts- und Finanzdienstleisters gehört. Die Beratung und Vertretung in diesem Bereich ist als die Kernkompetenz der Rechtsanwälte anzusehen. Insofern erscheinen die rechtlichen Maßnahmen, die mit der Leistungsbeschreibung der Antragsgegnerin verbunden sind, als eine isoliert zu betrachtende und für sich genommen auch anteilsmäßig nicht unerhebliche rechtsbesorgende Tätigkeit. Gleiches gilt für die stellvertretende Wahrnehmung von Terminen für Erwerber und „Verhandlungen mit allen beteiligten Personen und Stellen“ im „Abwicklungsprozess“.

Jedenfalls aber ist die Schwierigkeit und Komplexität bei der Beratung / Vertretung und Anwendung der Rechtsvorschriften betreffend die Aufhebung von Versteigerungsverfahren, Klärung aller rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit einem freihändigen Verkauf zur Abwendung der Zwangsversteigerung „mit allen beteiligten Parteien und Stellen“ derart hoch, dass bei der Gewichtung von (erlaubnisfreier) Haupttätigkeit und (erlaubnispflichtiger) Nebenleistung die Voraussetzungen des § 5 RDG nicht als erfüllt anzusehen sind. Dafür spricht auch, dass für die Vertretung in solchen Verfahren, bei dem diverse Beteiligte vorhanden sind, auch die anwaltliche Schweigepflicht von hoher Bedeutung ist. Gemessen an den Kenntnissen, die für die Wirtschafts- und Finanzberatung erforderlich sind, lassen sich aus dieser als Haupttätigkeit keine rechtlichen Qualitäten ableiten, die ein ausreichendes Maß an rechtlichem Standard für die rechtssuchenden Eigentümer oder Erwerber ergeben würden.

Ohne Erlaubnis betriebene Rechtsdienstleistungen sind wettbewerbswidrig und ziehen Unterlassungsansprüche aktivlegitimierter Personen, u. a. von Mitbewerbern, nach sich. Die Erlaubnispflicht für Rechtsdienstleistungen (§ 3 RDG) ist eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG (z.B. BGH, Beschl. v. 12.11.2015 – I ZR 211/14, zur Vorgängerregelung des § 4 Nr. 11 UWG). Insofern ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung nicht auf das, was ein Berater tatsächlich veranlasst, sondern bereits auf die Werbung abzustellen ist (DECKENBROCK/HENSSLER, RDG, 5. Aufl. 2021, Einl. Rn 83). Anders ausgedrückt: Die Rechtsdienstleistung beginnt also schon mit der entsprechenden Werbung. Als Mitbewerber stand antragstellenden Rechtsanwalt gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3a UWG iVm § 3 RDG ein Unterlassungsanspruch zu.